Manövrieren unter Maschine mit Doppelruderanlage

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Allgemeines

Bei vielen modernen Segelyachten findet man heute eine Doppelruderanlage, d.h. es sind sowohl zwei Steuerräder als auch zwei Ruderblätter vorhanden, die über ein Gestänge gekoppelt sind und sich somit bei Bedienung an einem der Steuerräder synchron bewegen. Hintergrund ist, dass der Trend auch bei Fahrtenyachten hin zu immer leichteren Bauweisen geht, d.h. es wird beim Rumpfdesign mehr auf Formstabilität durch ein breites Heck und einen flachen Lateralplan gesetzt, als auf Gewichtsstabilität durch einen schweren Kiel. Je breiter jedoch das Heck ist, desto weniger wirkt ein mittig angebrachtes Ruderblatt bei Lage, denn dann kann es sein, dass das Ruderblatt zu großen Teilen über Wasser steht, wodurch die Steuerwirkung stark beeinträchtigt wird. Durch eine Doppelruderanlage wird diesem Missstand entgegengewirkt, denn es befindet sich auch bei Lage immer eines der Ruderblätter nahezu am tiefsten Punkt des Rumpfes. Ein weiterer Vorteil einer Doppelruderanlage ist zusätzlicher Komfort für Rudergänger und Crew, da auch ohne übergroßes Steuerrad oder lange Pinnenausleger immer eine Position mit guter Übersicht eingenommen werden kann, und im Gegensatz zu einem einzigen großen Steuerrad mittschiffs immer ein Durchgang für die Besatzung zum Heck möglich ist.

So Vorteilhaft diese Entwicklungen beim Segeln sind - es ergeben sich daraus doch deutliche Nachteile bzw. Besonderheiten beim Manövrieren unter Maschine. Dies gilt insbesondere, wenn das Schiff mit einem Saildrive-Antrieb mit Faltpropeller ausgerüstet ist, anstelle einer Antriebswelle mit starrem Propeller, und wenn kein Bugstrahlruder vorhanden ist, was bei Segelyachten unter 38 Fuß Länge momentan noch Standard ist.

Problematik

Bei einer herkömmlichen Einfachruderanlage wird das Ruderblatt direkt vom Propeller angeströmt, sobald dieser einigermaßen auf Drehzahl gebracht wird. Das Ruderblatt befindet sich immer im Strom bzw. Sog, der vom Propeller erzeugt wird. Dies erlaubt es, auch auf engem Raum und ohne Fahrt im Schiff zu manövrieren. So werden z.B. Manöver wie Drehen auf der Stelle erst möglich.

Bei einer Doppelruderanlage befindet sich der Propeller mittschiffs, die Ruderblätter jedoch an den Rumpfseiten. Dadurch wird keines der Ruderblätter direkt vom Propeller angeströmt. Somit sind viele der in anderen Artikeln dieses Blogs oder der in gängigen Motorboot-Fahrstunden erlernten Techniken zum Manövrieren auf engem Raum auf Schiffe mit Doppelruderanlage nur bedingt anwendbar. Zudem wirkt sich bei Schiffen mit Saildrive-Antrieb der Radeffekt nur schwach aus, da der Propeller sehr viel vorlicher liegt, als bei einem konventionellen Wellenantrieb. Ist der Saildrive mit einem Faltpropeller ausgestattet, ergibt sich das zusätzliche Problem, dass beim Umschalten auf Rückwärtsfahrt die Antriebswirkung nur verzögert einsetzt, da der Faltpropeller allein durch die Fliehkraft in seiner entfalteten Stellung gehalten wird.

Konsequenzen

Aus dem eben genannten ergeben sich einige Konsequenzen, bzw. Faustregeln:

1. Ohne Fahrt im Schiff kein Manövrieren!

Das A und O bei so ausgestatteten Segelyachten ist, dass für jede Richtungsänderung Fahrt im Schiff sein muss. Dies ist gerade beim Anlegen zu beachten. Man stelle sich folgende Situation vor: Einlaufen in eine unbekannte, stark frequentierte Marina. Es soll an einem Transit-Liegeplatz angelegt werden, um eine Nacht dort zu bleiben. Es scheinen einige Liegeplätze frei, aber die Konvention besagt, dass die Liegeplätze von Hafenmatrosen zugewiesen werden. Nun sind aber alle Hafenmatrosen damit beschäftigt, anderen Booten beim Anlegen zu helfen. Wir müssen also noch warten, bis man sich um uns kümmert. Was also tun? Mit einer wie oben ausgestatteten Segelyacht wäre man nun schlecht beraten, einfach in der Mitte einer Boxengasse aufzustoppen und weitere Anweisungen abzuwarten. Kommt das Schiff zum vollen Stopp, und vertreiben wir in der Zeit, in der wir keine Fahrt machen, durch Wind oder Strom in eine ungünstige Richtung, müssen wir unsere Fuhre erst wieder in Schwung bringen, um dann erst wieder Kontrolle über die Fahrtrichtung zu erlangen. Je nach örtlichen Gegebenheiten kann der Raum, der dafür benötigt wird, aber zu klein sein, und es kann zu unangenehmen Situationen kommen. Meine Strategie in so einem Fall ist also: Wieder raus aus der Boxengasse und eine Wasserfläche mit mehr Manöverraum aufsuchen, dort kreisen oder aufstoppen, und erst dann, wenn sich abzeichnet, wo man letztendlich anlegen soll, wieder in die Gasse einfahren. Bei Booten mit Bugstrahlruder relativiert sich dies etwas, aber auch hier sollten vom Bugstrahlruder keine Wunder erwartet werden.

2. Doppelruder stellen zusätzliche Hindernisse dar

Bei einer Doppelruderanlage stehen die Ruderblätter normalerweise umgekehrt V-förmig vom Rumpf ab, d.h. sie können unter der Wasserlinie bis an die Seitenlinie des Schiffsrumpf oder sogar darüber hinaus reichen. Daher ist besondere Vorsicht bei Annäherung an flachgehende Murings anderer Boote, Festmachetonnen oder andere Hindernisse geboten.

3. Nicht auf den Radeffekt vertrauen

Dies liegt jetzt nicht direkt am Doppelruder, sondern eher am Saildrive. Bei vielen Booten mit Saildrive ist der Radeffekt auf das Heck äußerst schwach ausgeprägt und kann kaum zum Manövrieren genutzt werden. Dies macht die Steuerung per Ruderanlage, und folglich obige Regel 1, umso wichtiger.

4. Genug Zeit und Raum zum Achterauslaufen einplanen

Hat man einen Faltpropeller, wird man zunächst auch von der geringen Kraftentfaltung der Maschine im Rückwärtsgang überrascht sein. Wir müssen zusätzliche Zeit und zusätzlichen Raum einkalkulieren, bis wir nach dem Umschalten in den Rückwärtsgang wieder fahrt im Schiff und damit Ruderkontrolle haben.