StephanHohmann Sandbox

aus SkipperGuide, dem Online-Revierführer über die Segelreviere der Welt.
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Die Seekrankheit kann den schönsten Törn zur Qual werden lassen. Mit etwas Sachkenntnis ist das Problem jedoch zu handhaben und plötzlich ist alles nur noch halb so wild. Viele Segler werden regelmäßig zu Beginn eines Törns seekrank und genießen ihr Hobby dennoch.

Ursachen und Symptome

Die Seekrankheit gehört zu der Gruppe der Bewegungskrankheiten (Kinetosen) und resultiert aus der Irritation des Körpers, wenn Gleichgewichtssinn und optische Wahrnehmung nicht zusammen passen. Typischerweise ist das der Fall, wenn das Boot schwankt, während man unter Deck auf feststehende Objekte schaut.

Bei praktisch allen Menschen lässt sich Seekrankheit experimentell erzeugen, doch nicht jeder ist gleich empfindlich. Am stärksten gefährdet sind Kinder im Alter von etwa 12 Jahren, jenseits des 50. Lebensjahres lässt die Neigung zur Seekrankheit dagegen deutlich nach. Auch Kleinkinder unter 2 Jahren sind praktisch immun, weil ihre Bewegungswahrnehmung noch nicht voll entwickelt ist. In allen Altersgruppen sind Frauen anfälliger als Männer, ein zusätzlicher Risikofaktor sind hormonelle Auswirkungen von Schwangerschaft oder Einnahme der Pille.

Die ersten Symptome sind Müdigkeit, häufiges Gähnen und allgemeins Unwohlsein, später kommen verstärkter Speichelfluss und zwanghaftes Schlucken dazu. Die Haut wird blass und den Betroffenen steht oft kalter Schweiß auf der Stirn. Schließlich führt die Erkrankung typischerweise zu heftigem Erbrechen. Schwindel, Kopfschmerzen, sowie (selten) Funktionsstörungen von Herz und Kreislauf können sich ebenfalls dazugesellen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn aufgrund von Übelkeit oder Erbrechen die Aufnahme von Flüssigkeit über längere Zeit nicht möglich ist.

Psychologische Aspekte können das Auftreten zusätzlich verstärken oder auch abschwächen. Insbesondere die Angst vor der Seekrankheit selbst erhöht die Wahrscheinlichkeit, zu erkranken. Seekrankheit kann ein Risiko werden, das Auftreten sollte im Vorfeld verhindert werden. Als probates Mittel hat sich das Rudergehen erwiesen: bei ersten Symptomen des Unwohlseins sollte der Betroffene ans Steuerrad. Der Blick auf den Horizont hilft dem Gehirn, mit den Schaukelbewegungen umzugehen. Auf größeren Schiffen kann es auch helfen, sich in der Schiffsmitte aufzuhalten, wo die Bewegungen im allgemeinen geringer sind. Wichtig ist auf jeden Fall, nicht zu lange zu warten und bei ersten Anzeichen zu handeln.

Die meisten Seeleute berichten übereinstimmend, daß nach zwei bis drei Tagen mit entsprechendem Seegang ein Gewöhnungseffekt eingetreten ist. Das Thema Seekrankheit ist dann für den Rest des Törns erledigt. Wenn es die Törnplanung und das Wetter zulassen, ist es also sinnvoll die Gewöhnung an die Schiffbewegungen mit einzuplanen. Wie sehr sich das Geichgewichtssystem an die Bewegung angepasst hat, merkt man dann abends beim Landgang, wenn der Boden im Restaurant zu sehr schwankt.


Mittel gegen Seekrankheit

Medikamente

Ein in Deutschland rezeptfreies Mittel gegen Seekrankheit ist

  • Dimenhydrinat - Standardpräparat gegen Kinetosen als Saft, Tablette oder Kaugummi (Markenname Vomex A®, Superprep® oder Generika). Die Wirkung ist mit einer Erfolgsrate von ca. 70% recht gut, allerdings macht Dimenhydrinat müde und verlängert die Reaktionszeit deutlich.

Nur gegen Verschreibung erhält man:

  • Scopolamin TTS - Wird als Pflaster (am besten hinter dem Ohr) aufgeklebt (Markenname Scopoderm TTS®). Diese Anwendungsform hat den Vorteil, dass keine Tabletteneinnahme erforderlich ist und dass der Wirkstoff gleichmäßig über 72h abgegeben wird. Am besten klebt man das Pflaster schon 5-6h vor Beginn des Törns auf, um einen ausreichenden Wirkstoffspiegel im Blut zu erreichen. Scopolamin gehört in Studien zu den wirkungsvollsten Medikamenten gegen Seekrankheit, ist aber für Kinder unter 10 Jahren und Schwangere nicht zugelassen.
  • Cinnarizin - Wirkt ähnlich wie Dimenhydrinat und soll ebenfalls wirksam gegen Seekrankheit sein. In Deutschland ist Cinaarizin nur als Kombination mit Dimenhydrinat erhältlich (Arlevert® Tabletten)
  • Metoclopramid- wirkt gut gegen Erbrechen, nicht jedoch gegen Schwindel. Als Tablette, Tropfen oder Zäpfchen erhältich. Markenname Paspertin® oder Generika (MCP).

Achtung - die meisten Mittel gegen Seekrankheit machen müde und verlängern die Reaktionszeit. Besonders negative Effekte zeigt hier Dimenhydrinat, Scopolamin scheint etwas weniger sedierend zu wirken. Von einer Medikamenteneinnahme durch Schwangere und Kinder wird generell abgeraten. Die besten Erfahrungen über Sicherheit in der Schwangerschaft liegen für Dimenhydrinat vor.

Psychologie

Während Medikamente entweder an der Reizwahrnehmung und -verarbeitung des Gleichgewichtssinns oder an der Unterdrückung von Übelkeit ansetzen, kann man über die Psychologie gezielt versuchen, die Ursachen von Seekrankheit zu bekämpfen.

Häufig ist zu beobachten, dass sich Menschen unterbewusst in die Seekrankheit reinsteigern. Besonders deutlich wird dieses, wenn der erste erbricht und Auslöser für die anderen ist.

Um die Verbindung zwischen leichter Übelkeit und echter Seekrankheit (Erbrechen, Lethargie, Schläfrigkeit) geistig zu unterbrechen, kann man seinen Mitseglern ruhig klarmachen, dass echte Seekrankheit recht selten ist. Bei Seegang ist aber eine leichte Übelkeit durchaus normal - das ist aber keine Seekrankheit und muss sich nicht dazu entwicklen. Auch kann man persönlich gute Ergebnisse erzielen, in dem man sich nicht zu stark auf eine eventuell vorhandene Übelkeit konzentriert.

Weitere Maßnahmen

Ernährung: Je nach Seegangsverhältnissen kann die Zubereitung von heißen Getränken oder Speisen während der Fahrt schwierig bis unmöglich werden. Bei rauer See möchte oft niemand mehr unter Deck gehen, da er befürchtet, seekrank zu werden. Es ist daher wichtig, den Körper bereits vor Beginn der Etappe ausreichend mit Flüssigkeit und Nahrung zu versorgen. Das Bereitstellen von gezuckerten Heißgetränken und Suppen in Thermoskannen für die Fahrt gehört zur Planung dazu. Von Alkohol ist dringend abzuraten. Alkohol schränkt die Möglichkeit des Körpers, die widersprüchlichen Gleichgewichtsinformationen abzugleichen, weiter ein und verstärkt damit das zugrunde liegende Problem. Auch von fetten oder einweißreichen, also schwer verdaulichen Speisen ist abzuraten, obwohl ein Zusammenhang mit der Seekrankheit hier weniger deutlich ist. Wie vor anderen sportlichen Herausforderungen auch, sollte die Nahrung vor allem auf der Basis von leicht verdaulichen Kohlenhydraten aufgebaut sein. Hier bieten sich Kartoffeln, Getreideprodukte und Teigwaren an.

Lagerung: Prinzipiell sollte jeder so liegen, wie es für ihn oder sie am bequemsten ist. Experimente deuten darauf hin, dass eine Lagerung auf dem Rücken die Anfälligkeit für Kinetosen senkt.

Alternative Methoden

Ingwer: In einzelnen Placebo-kontrollieren Studien hat sich gezeigt, dass die Einnahme von 1-2g Ingwer das Auftreten von Seekrankheit vermindern kann.

Akupressur: Ganz vereinzelt wird über Erfolge durch Druck auf einen Akupressurpunkt am Handgelenk berichtet. Da bei solchen Therapiekonzepten im allgemeinen eine gute Placebokontrolle schwierig ist, ist unklar, inwieweit hier vielmehr psychologische Effekte wirksam werden.

Ohne Frage werden einige Maßnahmen und Mittel eine somatisch nachweisbare Wirkung haben, andere möglicherweise nicht. Ob ihr Nutzen nun im Doppelblindversuch nachgewiesen werden konnte oder nicht - der psychologische Einfluss ist nicht zu unterschätzen.

Literatur

Buchtipp: Histamin-Intoleranz, Histamin und Seekrankheit (Thieme Flexible Taschenbücher) ISBN-10: 3131053828 ISBN-13: 978-3131053824

Referenzen

Schmäl F, Stoll W. (2000) Kinetosen. HNO 48:346-356 [[1]] Priesol AJ. Motion Sickness. In: UpToDate online, www.uptodate.com, Zugriff am 6.7.2008