Benutzer:Hbachmann/Mallorca-Port-Saint-Louis du Rhone 2008

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Törnerzählung

Von Alcudia/Mallorca nach Port-Saint-Louis du Rhône

12.10.2008 – 24.10.2008 ca. 370sm


Nachdem ich nun "schon 2 Jahre" um Mallorca herumgesegelt bin, war einfach mal ein Tapetenwechsel fällig. Als ich am Sonntagmorgen meine alte Endurance 44 im Yachthafen Alcudiamar so weit aufgeklart hatte, wusste ich noch nicht, dass dies mein letzter Tag auf "Malle" werden sollte.

Nach Prüfung der Wetterlage (Wind E 3-4), Tief über Zentralspanien, Hoch über dem Tyrrhenischen Meer, kam mir so langsam, dass dies eigentlich die idealen Bedingungen sind auf die ich so lange gewartet hatte für den geplanten Schlag hinüber nach Barcelona und weiter die Costa Brava hoch, durch den Golfe du Lion bis an die Rhone. Diese Reise ist mir im letzten Jahr wieder und wieder durch den Kopf gegeistert und dann das spontane Gefühl: Jetzt könnte es sein!

Eine kleine Rückversicherung baute ich in die konkrete Planung schon noch mit ein: Wenn es dir nach dem Cabo Formentor zu heftig wird, drehst du einfach nach Südwesten ab und peilst Puerto de Sóller an! Schnell noch Kaffee und heiße Instantsuppe aufgebrüht und in die Thermoskannen verfüllt, damit ich die Nacht gut überstehe und um ca. 11.00 MESZ ging's los.

Am Cabo Formentor angekommen, war die Vorfreude auf den Törn einfach schon so groß, dass Abdrehen nach Südwesten eigentlich nicht mehr in Frage kam: Das Ziel hieß Barcelona. Der Wind kam backstags, ich hatte die Genua und das Groß voll gesetzt, der Besan blieb herunten, war mir einfach zuviel Arbeit und hätte auf diesem Kurs eh' nichts gebracht. Zum Abend hin war der Wind dann auf 5-6 Bft. aufgefrischt, meine alte SUNNY BOY lief mit 7,5 bis 8kn, war ziemlich luvgierig und inzwischen eindeutig übertakelt. Ein Langkieler mit 15 to ist schließlich kein Racer/Cruiser und ich war ja allein unterwegs. Also Genua einrollen, Aufschießer mit Maschinenunterstützung und Autopilot, mit Safetyharness am Jackstay aufs Deck und das Gross ins dritte Reff eingebunden. Alles noch ehrliche Handarbeit - bei 2-3m Seegang! (nicht dass ich da stolz drauf wäre – ein hydraulisches Rollgroß wäre mir auch lieber, aber das nötige Kleingeld fehlt halt leider!) So hatte ich für die Nacht meine Ruhe und 6,5kn waren immer noch drin.

Leider waren mir so schnell noch keine Seebeine gewachsen und die Seekrankheit hatte mich übel erwischt. Immer wieder musste ich mich übergeben und an Essen oder Trinken wagte ich gar nicht zu denken. Erstaunt war ich, dass ich dennoch die Rauschefahrt bei fast vollem Mond und Meeresleuchten im Kielwasser genießen konnte. Um Mitternacht kam mir ein hellerleuchtetes Fahrzeug entgegen, vermutlich die Fähre Barcelona-Ciutadella. Von Positionslichtern war zunächst auch mit dem Glas nichts zu erkennen und ich tat mir schwer, seine Fahrtrichtung einzuschätzen. Das Radar zeigte nichts (wozu fahre ich eigentlich die ganze Zeit dieses Teil spazieren?). Schließlich beschloss ich, dass mich mein Gegenüber wohl an Steuerbord passieren würde, dann sah ich auch einen winzigen grünen Punkt zwischen all den hellen weißen Lichtern - Erleichterung.

In der zweiten Nachthälfte ließ der Wind nach und es fing leicht an zu regnen, in den Morgenstunden musste dann die Maschine mithelfen. Mir fielen immer wieder die Augen zu, aber nur für ein paar Minuten, dann blickte ich in die Nacht, um nach möglichen Kollisionsgegnern Ausschau zu halten. Es kam dann auch noch mal so ein "Christbaum", diesmal von hinten. Als er sich näherte, schaltete ich mal vorsichtshalber zusätzlich das Decklicht an, um besser gesehen zu werden. Kurze Zeit später machte er einen großen Bogen um mich herum.

Morgens um 09.00 MESZ kam ich dann in Barcelona an (110sm, 22h), jedoch ziemlich geschwächt, ich hatte ja seit 24h nichts mehr zu mir nehmen können und nicht geschlafen. Nach etwas Suchen fand ich schließlich den Eingang zum Port Olimpic. Hier (wie an den anderen Häfen auf dieser Reise auch) wurde ich sehr freundlich empfangen und erhielt auch Hilfestellung beim Anlegen (mein Boot hat kein Bugstrahlruder und ist rückwärts kaum steuerbar).

Jetzt gab es für mich nur noch eins: Eine ordentliche Mahlzeit und etwas zu trinken! Das richtige Ambiente sollte aber schon auch dabei sein, also marschierte ich erst mal zur berühmten "La Rambla" und setzte mich dort in eine Tapas-Bar. Als ich mich wieder gestärkt hatte, waren dann noch die anderen Sehenswürdigkeiten dran, die in Hafennähe liegen: "Sagrada Famila" von Antonio Gaudi, das Hafenarbeiterviertel "Barcelonetta" und der zweite Yachthafen "Port Vell" im alten Hafen (wie der Name schon sagt). Um 20.00 MESZ wurde es dunkel und für mich bedeutete das nur noch Schlafen.


Am nächsten Morgen ging es weiter, denn viele Ruhetage konnte ich mir bei zwei Wochen Urlaub angesichts der langen Strecke nicht erlauben. Das Ziel hieß San Feliu de Guixols an der Costa Brava. Das Hochdruckgebiet im Osten hatte gewonnen und der Wind war völlig eingeschlafen. Also war für diesen Tag Maschinenfahrt angesagt. Knapp 50sm, da reichten 1500U/min, um vor der Abenddämmerung dort zu sein. Mittags kam dann sogar die Sonne raus und die Ensaimadas vom Bäcker aus Barcelonetta brachten mir wieder meine Kräfte zurück.

Eigentlich wollte ich in einer Bucht neben dem Ort ankern, als ich jedoch den Anker klar machen wollte, stellte sich leider heraus, dass die Ankerwinch hinüber war. Nach kurzer Untersuchung fand ich die 80A-Sicherung durchgebrannt. Dann also doch in den Ort, um eine neue Sicherung zu kaufen (peinlich, peinlich - leider kein Ersatz an Bord). Ein glücklicher Zufall fast, denn SFG, wie die Leute dort ihren komplizierten Ortsnamen selbst abkürzen, erwies sich als schmuckes altes Städtchen in dem man außer Sicherungen auch sonst noch schöne Sachen einkaufen konnte. Dass die Sicherung nur ein Symptom und nicht das Grundleiden war, hätte ich mir ja gleich denken können, der Motor war mausetot.


Der nächste Tag führte mich erst an der Inselgruppe der Hormigas (Ameisen) vorbei, danach, sehr viel spektakulärer, an den Islas Medas. Im Süden dieses kleinen Archipels ragt eine gewaltige Felsnadel fast senkrecht aus dem Wasser.

Bis zum Nachmittag war ich im Künstlerdorf Cadaques. Einen Hafen gab es hier nicht, zum Glück lagen Bojen aus und ich musste nicht ankern. Hier, bzw. in der Nähe hatte Salvador Dali ein Haus in dem er viele Jahre lebte. Alle Häuser im Ort sind weiß gestrichen, die Gassen mit dem dunkelgrauen Naturstein gepflastert, der die Felsküste der Umgebung bildet. Seltsam: die Steinplatten werden nicht flach auf die Erde gelegt, sondern stehen hochkant. Das Ortsbild ist sehr schön harmonisch im traditionellen Stil und auf einem Hügel bildet das alte Kirchlein das Zentrum. Von hier ist der Ausblick auf die tief eingeschnittene Bucht und die Boote atemberaubend.


Am Donnerstag lagen gleich drei wichtige Kaps auf dem Weg: Cabo Creus, Cap Cerbere (französisch-spanische Grenze) und Cap Bear.

Eigentlich wollte ich nach Collioure und ging davon aus, dass ich dort in der Bucht ankern musste (im Handbetrieb). Das fallende Barometer und aufziehende Bewölkung überzeugten mich jedoch, Port-Vendres anzulaufen, das nur 2sm davor lag.

Ich ging dann einfach zu Fuß hinüber nach Collioure, das ich von einem Urlaub vor 30 Jahren schon kannte. Wieder war ich fasziniert von der Kulisse der gewaltigen Pyrenäen mit dem mittelalterlichen Ort am Meer. Das schönste war jedoch: wie in Cadaques waren Bojen ausgelegt von denen im Hafenführer nichts gestanden hatte!


So war am Freitag das kleinste Etmal der Reise fällig, nämlich die 2sm bis hinüber nach Collioure und an die Boje. Mit dem Boot direkt zwischen der Burg der Tempelritter und der mittelalterlichen Wehrkirche zu liegen, überwacht vom wehrhaften Kloster St.Elme und den gewaltigen Berggipfeln im Hintergrund – ein Traum und sicherlich der Höhepunkt der ganzen Reise. Der Ort an sich ist aber auch sehr reizvoll – alte Häuschen, kleine Gässchen, schöne Geschäfte und Restaurants: so richtig zum Wohlfühlen. Besonders begeistert hat mich ein Bäcker, der riesige Weißbrote nur mit Sauerteig ohne Hefe bäckt. Nur widerwillig verließ ich mein geliebtes Collioure am Samstag, aber ich musste ja weiter nach Norden und war froh, bisher vom gefürchteten Mistral verschont geblieben zu sein.


Die abwechslungsreiche Felsküste war mit einem Schlag vorbei und endlose Sandstrände bestimmten von nun an das Bild durch den ganzen Golfe du Lion. Bei 2-3 Bft aus Ost zog ich langsam am Cap Leucate vorbei, wo der Wind sonst normalerweise immer aus nördlicher Richtung weht. Abends kam ich nach Gruissan, der ersten dieser austauschbaren Retortenstädte am Golf. Wegen eines Muschelzuchtgebietes musste ich einen großen Haken schlagen, um an die Einfahrt des Vorhafens zu kommen. Dann noch 1sm durch einen kleinen Kanal, der Yachthafen war riesig. Ich erhielt einen Platz vor einem Restaurant. Zum Glück hatte es wegen Nachsaison geschlossen, so war wenigstens meine Nachtruhe gesichert. Etwas deprimiert schlenderte ich an geschlossenen Spielhöllen, Bars und Boutiquen vorbei. Ich wollte noch ein paar Lebensmittel einkaufen, aber das war gar nicht so einfach. Nach einer halben Stunde fand ich endlich einen Supermarkt – ausgerechnet Lidl! Ich fahre doch nicht weg, um im Lidl einzukaufen, da kaufe ich ja nicht mal zuhause! Meine Befürchtung, Lidl hätte jetzt schon die französische Esskultur vergewaltigt, wurden aber dann doch besänftigt, als ich das leckere Angebot sah. Vielleicht haben ja auch die Franzosen den Lidl umgedreht!


Am nächsten Tag nichts wie weiter! Aber Cap d'Agde unterschied sich von Gruissan nur unwesentlich. Das interessanteste an diesen Orten ist vielleicht die Anfahrt von See, weil jeweils besondere Umstände wie Sperrgebiete, Untiefen und vorgelagerte Sandbänke zu beachten sind.


Stramme 4-5 Bft brachten mich hoch am Wind am Montag nach Port Camargue, jenem Riesenhafen mit über 4000 Liegeplätzen. Auch hier fand sich wieder das gleiche Konzept wie bei den beiden vorhergehenden Häfen. Wohl Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre wurden diese Anlagen aus dem Boden gestampft. Der Verkauf von Ferienwohnungen in Verbindung mit einem Liegeplatz sollte das große Geld bringen (und hat es wohl auch gebracht). Die Liegeplätze sind alle Privateigentum. Für Transityachten ist in der Saison oft gar nicht genügend Platz. Die Häuser sind alle im gleichen Stil gebaut, alle in Gelb-, Ocker- oder Orangetönen gestrichen, alle gleich groß. Für die Versorgung sind Einkaufszentren mit eingeplant. Außerhalb der Saison haben die aber fast alle geschlossen. In Port Camargue hätte ich mir nicht mal ein Baguette kaufen können.


Obwohl am Dienstag der Ostwind mit 4-5 Bft. gegenan stand – ich musste einfach weiter, hier hielt ich es nicht länger aus! Der Hafenführer meinte treuherzig, nur 18sm bis Les Saintes-Maries-de-la-Mer. Das gilt vielleicht für das Befahren der 5m-Linie. Bei diesem Seegang musste man schon in tieferes Wasser. Für die 20m-Linie sagte der Plotter 25sm – zuviel. Also dann die 10m-Linie mit 20sm. Aber hier war der Seegang doch noch ziemlich steil und es kam immer mal grünes Wasser vorne herüber.

Les Saintes-Maries-de-la-Mer – endlich mal wieder ein Plätzchen zum Wohlfühlen. Daß ich hier am Mittwoch vom Mistral mit 9Bft. und Regen eingeweht wurde kam mir gerade recht. Landurlaub war angesagt. Ich mietete mir ein Auto und schnupperte ein bisschen in die einzigartige Landschaft der Camargue. Staunend sah ich mir die trutzigen Mauern von Aigues-Mortes an und die putzigen Kähne auf dem Séte-Rhone-Kanal, die einen ganzen Garten aus Kübelpflanzen an Deck hatten. In Le Grau-du-Roi mündete dann der Kanal ins Meer. Wenn man bedenkt, dass sich hier vor 800 Jahren die Kreuzritter einschifften, um in den Osten zu segeln...die hatten wahrscheinlich vor der Schifffahrt mehr Angst als vor den Sarazenen.


Am Donnerstag waren vom Mistral immer noch 7Bft. übrig geblieben – gerade richtig für die 33sm bis nach Port-Saint-Louis du Rhône. Mit Groß im 3. Reff und Rollgenua in Handtuchgröße ging es mit 6,5kn ganz gemütlich auf die letzte Etappe.


Wie mit der Schnur gezogen war die Grenze zum schmutzigen Wasser, das die Rhone ins Mittelmeer brachte, fast tat es mir leid da hineinzufahren. Nach einer Stunde war ich durch, nun ging es "hinauf" in den Golfe du Fos. Ringsherum war alles voller Industrie, Raffinerie auf der einen Seite, Aluminiumhütte auf der anderen und die Dickschiffe lagen vor Anker und warteten, bis sie an der Reihe waren.


Zum Glück sah es am Zielhafen Port Napoleon wieder natürlicher aus. Hier war wieder Camargue, die Ufer waren mit Schilf bewachsen, Reiher und Flamingos standen neben den Booten im seichten Wasser und Schwäne zogen am Himmel. Port Napoleon ist geradezu ein Umschlagplatz für Sportboote. Die 2000 Trockenplätze erschienen mir wie die Lagerhalle eines Versandhandels. Laufend wurden Boote gekrant, mit den Cradles herumgefahren, auf LKW's verladen. Masten wurden auf- und abgebaut und zum Transport fertig gemacht. Hier bleibt meine SUNNY BOY erst mal bis zum Frühjahr, vielleicht seh' ich im Winter ja noch mal nach ihr.